Forderungen von Frauen mit und ohne Behinderung zur Ergänzung und Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes

anlässlich einer Veranstaltung am 09. März 2004 durchgeführt vom Frauenhaus Kassel und dem Hessischen Koordinationsbüro für behinderte Frauen

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  1. Das Gewaltschutzgesetz muss im Hinblick auf Frauen mit Behinderung überarbeitet werden. So ist beispielsweise im § 2 nicht definiert, ob ein Wohnheimplatz als Wohnung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Gewaltschutzgesetz ist. Auch die Frage, ob die in einer therapeutischen Wohngemeinschaft lebenden BewohnerInnen ein auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt i. S. d. §2 Gewaltschutzgesetz begründen.
  2. Im Gewaltschutzgesetz muss verankert werden, dass es in allen stationären und teilstationären Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe Interventionspläne geben muss. Diese müssen unter Einbeziehung von Fachkräften mit Behinderungen erstellt werden.
  3. Für alle stationären und teilstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe sollen jährliche Fortbildungen für MitarbeiterInnen gesetzlich festgeschrieben werden. Für die Bewohnerinnen dieser Einrichtungen sollen regelmäßig Fortbildungen / Informationsveranstaltungen angeboten werden. Die Fortbildungen / Informationsveranstaltungen sollen gemeinsam von Fachkräften mit und ohne Behinderung entwickelt und durchgeführt werden.
  4. Im Gesetz halten wir eine Festschreibung dahingehend für notwendig, dass das Wegweisungsrecht für jeden Täter gilt, unabhängig davon, wie lange dieser in der häuslichen Gemeinschaft lebt, oder z. B. dort als Pflegeperson oder Mitarbeiter tätig ist.
  5. Eine Verlängerung der Antragsfrist für die Wohnungszuweisung von bisher sechs Monaten auf ein Jahr; (§2 Gewaltschutzgesetz, §1361 BGB).
  6. Für jede Frau bedeutet es eine große Hürde, Maßnahmen aus dem Gewaltschutzgesetz zu beantragen. Da es bisher keine Auflistungen und Hinweise darüber gibt, welche Beratungsstellen und sonstige Hilfs- und Unterstützungsangebote in welcher Weise für behinderte Frauen nutzbar sind (z. B. Rollstuhlzugänglichkeit), sind die Barrieren zur Beantragung von Maßnahmen aus diesem Gesetz für behinderte Frauen noch mal höher.
    Um hier Abhilfe zu schaffen, sollte es in den einzelnen Städten eine Auflistung aller Unterstützungs- und Hilfsangebote - unter Benennung ihrer Unterstützungsangebote für Frauen mit Behinderungen - geben. (z. B.: Rollstuhlzugänglichkeit, Klingelbeschriftung in Braille, Angebot, blinde oder sehbehinderte Menschen von der Straßenbahn abzuholen).
    Um die Nutzbarkeit dieser Hilfsangebote für Frauen mit Behinderungen zu erhöhen, sollten vom Bund und Land finanzielle Mittel zur barrierefreien Gestaltung der Unterstützungs- und Hilfsangebote zur Verfügung gestellt werden.
  7. Mehr Öffentlichkeitsarbeit - z. B. durch die Medien - zu den Möglichkeiten und Rechten im Rahmen dieses Gesetzes. Entwicklung oder Umarbeitung von Informationen für die verschiedenen Nutzerinnen. Übersetzung in verschiedene Sprachen, Gestaltung des Materials in leichter Sprache, so dass auch Frauen mit Lernschwierigkeiten Zugang zu diesen Informationen haben, Umsetzung des Materials auf Kassette, usw.
  8. Aussetzung des Umgangsrechts für gewalttätige Männer.
  9. Alleiniges Sorgerecht der Frauen bei Trennung aus Gewaltbeziehungen.
  10. Eigenständiges Aufenthaltsrecht für Migrantinnen ab dem Zeitpunkt der Eheschließung.
  11. Schnellere Gerichtsentscheidungen für Frauen in akuten Situationen.
  12. Freie Wahl des Schutzortes für Frauen nach Gewalterfahrungen. Ebenfalls muss es jederzeit möglich sein, dass die Frau ihren Schutzort bei Bedarf Wechseln kann - unabhängig von den hierdurch entstehenden Kosten.
  13. Ausreichende Finanzierung der Projekte, die Frauen Schutz, Unterstützung, Perspektiven und Beratung bei Gewalterfahrungen bieten.
  14. Zur Sicherstellung der Fachkompetenz auf dem Gebiet "Frau und Behinderung", sollen in den Projekten und Beratungsstellen immer auch Mitarbeiterinnen mit Behinderung beschäftigt werden.